Ein junger Mann wurde tot im Badezimmer gefunden. Somit betrat ich dessen Wohnung. Unvermittelt umgab mich Klinikatmosphäre. Weder befand ich mich in einem Krankenhaus, noch in einer Arztpraxis. Die Wohnung lag in einem gewöhnlichen Wohnblock.
Obwohl die Wohnung nicht gerade groß war, sie war eingerichtet wie ein Krankenhaus. Sie war geradezu überladen. Auf weniger als 40 Quadratmetern standen Geräte, wie man sie sonst nur in der Notaufnahme oder auf Intensivstationen findet. Außerdem schien der Tote kein Freund von gewöhnlichem Wohnmobiliar zu sein. Normale Sitzgarnituren, Tische oder Schränke fehlten überdies weitgehend.
Ein Narkosewagen für den „Notfall“
Bedrohliche Erkrankungen hätten hier sofort behandelt werden können. Es gab mehrere Defibrillatoren und Spritzenpumpen. Auch Patientenmonitore mit EKG-Funktion und Blutdruckmessung waren eingeschaltet. Zusätzlich stand eine Notaufnahmeliege bereit. Das passende Nachtkästchen befand sich daneben. Im Übrigen lagen in einem Pflegewagen blau gemusterte Klinikhemden bereit.
Für den anästhesiologischen Einsatz gab es einen komplett eingerichteten Narkosewagen. Neben Ampullen mit Medikamenten lagen ebenfalls Beatmungsbeutel und Absaugkatheter in den Schubladen. Infusionsflaschen hingen überdies griffbereit am Infusionsständer.
Nahezu alle Gerätschaften dieses medizinischen Fuhrparks hatten eine Inventar- und Prüfnummer. Jene stammten von einem Münchner Krankenhaus. Das war höchst auffällig. Es ließ sich darüber spekulieren, wie die Ausstattung in diese Privatwohnung gelangt war. Die Gerätschaften dürften einen Wert im oberen fünfstelligen Bereich gehabt haben.
Jedoch viele Geräte waren ziemlich groß und dementsprechend unhandlich. Konnte man sie unbemerkt aus einem Krankenhaus abtransportieren? Ein Narkosewagen am Bürgersteig fällt auf. Es dürfte eine logistische Meisterleistung gewesen sein. Mit anderen Worten, es war keinesfalls davon auszugehen, dass die Geräte offiziell von der Klinik ausgemustert oder gar verschenkt worden waren.
Der Fundus an medizinischem Material war immens. Es war alles vorhanden, einschließlich des dazugehörigen medizinischen Verbrauchsmaterials. Verbände. Infusionsnadeln. Schläuche. Zusätzlich türmten sich vor der Wohnungstür noch ungeöffnete Kartons mit Bestellware.
In der Wohnung befriedigte er offenbar seinen Fetisch.
Der Tote war homosexuell. Und er war als examinierte Pflegekraft natürlich selbst im medizinischen Bereich tätig. Die Wohnung nutzte er offenbar um seinen Fetisch zu befriedigen: authentische Sexspiele in Klinikatmosphäre.
Einem Platz schien dabei eine ganz besondere Rolle zuzukommen: es handelte sich um einen gynäkologischer Stuhl mit Stützen zum Hochlagern der Beine. Während ein Partner darauf Platz nahm, konnte er von unten tätig werden. „Unkooperativen Patienten“ war schnell beizukommen: denn seitlich am Stuhl angebracht befanden sich Riemen, Ketten und Handschellen. Damit war der Partner effektiv wehrlos zu machen und zu fesseln. Auch gab es ausreichend Medikamente, um den Partner in einen Rauschzustand zu versetzen und so gefügig zu machen.
Im Wagen daneben lag alles zum Anlegen eines Blasenkatheters bereit: Katheter unterschiedlicher Größe, Spritzen mit Gleitgel und sogar ein spezielles Behältnis für Urin.
Man konnte sich ausmalen, wofür und wie er das alles nutzte.
Der Krankenpfleger hatte sich in der Wohnung eine Art Studio für erotische Spiele in Klinikatmosphäre aufgebaut. Man konnte sich ausmalen, wie der Pfleger dort mit seinen Partnern seine Neigungen auslebte.
Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, weshalb der Pfleger seinen Arbeitsplatz zu Hause derart nachstellte, dass es kaum noch Platz für Persönliches gab.