Kürzlich wurde ich unbedarft von einem Passanten gefragt: „Leichenschauer – ist das eine Form des Schaustellers oder Schauspielers?“ Dies nehme ich zum Anlass, die Hintergründe zur Leichenschau näher zu beleuchten.
Die Leichenschau dient zunächst dazu, den Tod eines Menschen offiziell zu attestieren. Überdies werden der genaue Zeitpunkt des Todes, die Todesart und die Kausalität des Todes näher betrachtet. Hierbei muss neben Betrachtung der Krankenvorgeschichte eine eingehende Untersuchung der unbekleideten Leiche erfolgen.
Es ist ein Irrglaube, dass man nach dem Tod mehrere Stunden warten muss bis man die Leichenschau durchführen darf.
Viele Ärzte, insbesondere junge Klinikärzte, sind der Meinung, dass man mindestens drei bis fünf Stunden warten muss, ehe die Leichenschau durchgeführt werden darf.
Vorgeschrieben ist freilich – und das erklärt sich von selbst – dass die Person gesichert tot sein muss. Um dies gesichert festzustellen ist das Vorhandensein sicherer Todeszeichen unerlässlich.
Sichere Todeszeichen sind Leichenflecken, Leichenstarre, Fäulnis oder Verletzungen, die unvereinbar sind mit dem Leben. Die Besonderheit: Leichenflecken entstehen bereits Minuten nach dem Tod.
Sobald Leichenflecken sicher nachgewiesen werden können, ist die Person als tot anzusehen und mit der Leichenschau kann begonnen werden.
Wann man von einem natürlichen Tod spricht
Um eine „natürliche Todesart“ zu bescheinigen müssen Vorerkrankungen vorgelegen haben. Diese müssen so schwerwiegend gewesen sein, dass ein Ableben zu diesem konkreten Zeitpunkt erwart- und erklärbar sind. Es darf jedoch kein Hinweis auf eine „nicht-natürliche Todesart“ vorliegen.
Beispiel: bei einem schwerst krebskranken Patient, der im Bett ohne sonstiges Trauma eingeschlafen und verstorben ist, spricht man von einem natürlichen Tod.
Wann man von einem nicht-natürlichen Tod spricht
Ungeachtet auch schwerwiegender Vorerkrankungen reicht der Hinweis auf eine „Einwirkung von außen“ bereits aus um von einer „nicht-natürlichen Todesart“ zu sprechen. Gemeint sind beispielsweise Unfälle, Suizide und Tötungsdelikte.
Beispiel: bei vorherigem Krebspatient wird man nur einen „nicht-natürlichen Tod“ attestieren können, wenn er z.B. just von einem Auto angefahren wurde.
Aber auch bei einem an Lungenentzündung Verstorbenen, der aufgrund eines Oberschenkelbruchs bettlägrig war, ist definitionsgemäß ein „nicht-natürlicher Tod“ zu bescheinigen. Warum? Man kann davon ausgehen, dass der Patient weder Bettlägerigkeit, noch Lungenentzündung entwickelt hätte, hätte er sich nicht zuvor das Bein gebrochen. Somit rückt hier der Unfalltod wieder in den Fokus.
Wann ist ein Tod ungeklärt?
Eine „ungeklärte Todesart“ liegt dann vor, wenn ich einerseits keinen Hinweis habe, dass beispielsweise ein Unfall todesursächlich gewesen sein könnte, der Verstorbene andererseits an keinen schwerwiegenden Erkrankungen litt, die den Tod zu diesem Zeitpunkt erklären könnten.
Beispiel: eine stets gesunde, ältere Dame, die regelmäßig beim Hausarzt war, wird eines morgens leblos in ihrem Bett aufgefunden. Ein Unfall lag dem Anschein nach nicht vor. Relevante Vorerkrankungen waren zu Lebzeiten jedoch auch nicht bekannt. Somit kann keine todesursächliche Erkrankung benannt werden, und es wird eine „ungeklärte Todesart“ bescheinigt.
Manchmal kommt die Polizei.
Gerade dann, wenn der Arzt nur eine „ungeklärte“ oder „nicht-natürliche“ Todesart bescheinigen kann, ist zuständigkeitshalber die Polizei hinzuzuziehen.
Der Arzt ist der Fachmann für Erkrankungen. Wenn er den Tod durch Erkrankungen nicht erklären oder sogar ausschließen kann (z.B. bei einem Unfall), fällt die weitere Beurteilung und Untersuchung nicht mehr in den Aufgabenbereich und die Kompetenz des Arztes.
Für die weiteren Untersuchungen stehen Polizeibeamte bereit, deren Schwerpunkt es ist, sich mit ungeklärten oder nicht-natürlichen Todesfällen zu beschäftigen.
Ein Hinzuziehen der Polizei bedeutet aber nicht automatisch, dass eine innere Leichenschau (Obduktion) durchgeführt wird. Diese kann im Einzelfall jedoch von der zuständigen Staatsanwaltschaft angeordnet werden.
Warum ist die Leichenschau so wichtig?
Der leichenschauende Arzt ist im Einzelfall die letzte Kontrollinstanz vor einer Beisetzung. Schaut der Leichenschauer nicht genau hin, bleiben womöglich Straftaten ungesühnt.
Die Leichenschau endet mit der Ausstellung der Todesbescheinigung. Hieraus leiten sich ggf. strafrechtliche (z.B. polizeiliche Ermittlungen) und zivilrechtliche (z.B. Erbrecht, Versicherungsrecht) Konsequenzen ab. Ferner fließt die attestierte Todesursache in die Todesursachenstatistik ein. Eine Todesbescheinigung wird behördlich über Jahrzehnte archiviert.