Wegen Covid-19 verstorben?

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Soviel vorab: eine Leichenschau bei einem konkreten Todesfall mit Covid-19 habe ich bisher nicht gemacht. Es gab einige Verdachtsfälle. Jedoch stellten diese sich im Nachhinein als unbegründet heraus.

Um Missverständnisse zu vermeiden: persönlich begrüße ich die Maßnahmen zum Infektionsschutz von Bund und Ländern. Gut ist außerdem, dass all mählich Lockerungen kommen. Nicht nachvollziehen jedoch kann ich das Gedrängel und Gequengel, den bisherigen Kurs zu verlassen. Vor wenigen Wochen noch wurden Bundesbürger aufwändig weltweit nach Hause geholt. Heute wird über Urlaub in Italien, Griechenland und Großbritannien diskutiert? Wir sollten lieber froh sein, bisher mit einem blauen Auge halbwegs davongekommen zu sein.

In den vergangenen Wochen hatte ich drei Todesfälle, die bedingt mit Covid-19 zu Zusammenhang stehen.

Adipöser COPD-Patient mit Lungenentzündung

Ein stattlicher Herr von 140 kg Körpergewicht und multiplen Vorerkrankungen an Herz, Kreislauf und Lunge erlitt einen fieberhaften Infekt. Insbesondere seine Lunge machte ihm Probleme: seit Jahrzehnten war er starker Raucher. Er hatte eine sog. COPD und dadurch bedingt nun akute Atemwegsprobleme.

Die Hausärztin vermutete zudem eine Lungenentzündung. Sie riet dem Herrn dringend zu einem Krankenhausaufenthalt. Dieser jedoch lehnte entschieden ab: er wolle nicht das Risiko eingehen, sich im Krankenhaus mit dem Coronavirus zu infizieren. Immerhin sei er Risikopatient.

Mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versuchte die Hausärztin den Mann zu behandeln. Doch nach 2 Wochen verschlechterte sich dessen Zustand. Er fieberte weiter auf, konnte das Bett nicht mehr verlassen. Er starb an den Folgen seiner Lungenerkrankung.

Lungenembolie während Quarantäne

Als unmittelbarer Kontakt eines an Covid-19-Erkrankten begab sich ein 53-jähriger Mann in häusliche Quarantäne. Es handelte sich um einen ansonsten weitgehend gesunden Mann, der allein in einer kleinen Wohnung lebte. Über Tage bewegte es sich kaum. Er sah fern, las Bücher, sass auf der Couch.

Zunehmend entwickelte er Atemnot. Der Herr vermutete, dass er sich ebenfalls mit dem Virus infiziert haben könnte. Allerdings war er so geschwächt, dass er ein Testzentrum selbst nicht mehr aufsuchen konnte. Ein Arzt kam ins Haus und nahm den Abstrich.

Zwei Tage konnte ihn seine Lebensgefährtin telefonisch nicht mehr erreichen. Als sie kam um nach dem Rechten zu sehen, fand sie den Mann leblos auf dem Fußboden. Auch ein hinzugerufener Notarzt konnte nur noch den Tod feststellen.

Das Testergebnis traf Tage später ein: eine Infektion mit dem Coronavirus bestand offenbar nicht.

Stattdessen hatte der Mann möglicherweise durch Bewegungsarmut während der Quarantäne eine Beinvenenthrombose erlitten. Verstorben war er an deren Folgen, nämlich einer Lungenembolie.

Mit Darmverschluss nicht ins Krankenhaus

Eine Dame in den 80-ern entwickelte unsägliche Bauchschmerzen. Der ärztliche Notdienst stellte einen verhärteten Bauch mit dem Verdacht einer Bauchfellentzündung fest. Dringend riet die Ärztin zu einer stationären Einweisung. Doch die Dame lehnte ab: das Krankenhaus sei wegen des Coronavirus viel zu gefährlich. Sie bleibe zu Hause.

Am nächsten Morgen fanden Familienangehörige die Dame tot in ihrem Bett. Sie hätte dringend weitere Diagnostik und wahrscheinlich eine Operation gebraucht. Der Verdacht eines Darmverschlusses war naheliegend. Die Angst, an Corvid-19 zu erkranken war vor dem Hintergrund wohl wenig rational. Und ihre Vorsicht hat ihr wenig genutzt.

Stefan Hartl

Jahrgang 1979. 2 Kinder. Arzt seit 2006. Facharzt für Anästhesie, Notfallmedizin, Suchtmedizin, Reisemedizin. Freiberufliche Tätigkeit, u.a. als Leichenschauer, seit 2006. Interessen: Literatur, Reisen.

Ein Gedanke zu ”Wegen Covid-19 verstorben?

  1. Klare Worte und schöner Artikel. Die Realität sieht wohl meistens so aus, dass Patienten entweder an infektexacerbierten Vorerkrankungen sterben oder ansich gesunde Patienten, die durch mangelnde Aufklärung, Aktionismus und falsche Ängste notwendige Behandlungen unterlassen.

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