Eine schmale Treppe führte zur Galerie der Maisonette-Wohnung. Dort hatte sich Herr Norbert Winter* einen Heimwerkerbereich eingerichtet. Herr Winter war in den Fünfzigern und lebte seit Jahrzehnten in einer kinderlos gebliebenen Ehe.
Als seine Frau Margit* abends von der Arbeit nach Hause gekommen war, hatte sie ihren Mann zunächst nicht angetroffen. Schließlich wurde sie im oberen Bereich fündig. Denn Norbert verbrachte gewöhnlich viel Zeit dort: er arbeitete mit Holz und Metall. Und er reparierte defekte Elektrogeräte.
Doch als Margit ihn fand, lag er am Boden. Die Arme lagen seitlich des wuchtigen Körpers. Der hinzugerufene Notarzt konnte Norbert nicht mehr helfen. Er war tot.
Starke Körperbehaarung und Damenunterwäsche
Ich wurde mit der Leichenschau beauftragt. Also betrat ich die Galerie und nahm den Leichnam in Augenschein: offenbar war Herr Winter ein kräftiger Mann gewesen. Er hatte kurze, gräuliche Haare und Vollbart. Die Brust war stark behaart, ebenso der Bauch und Rücken.
Mir stach sofort ins Auge, dass dieser Mann einen Büstenhalter trug, der in die Falte zwischen Brust und Bauch herunter gezogen war. Dazu trug er einen passenden Damenslip. In der linken Hand hielt der Verstorbene einen weiteren BH fest umschlungen. Und in der rechten Hand befand sich ein mächtiger Vibrator in Form eines Penis.
Am Leichnam ergaben sich zunächst – von dessen Bekleidung abgesehen – keine Auffälligkeiten. Also nahm ich das nähere Umfeld der Leiche in Augenschein. Dort befanden sich eine Werkbank mit üblichen Heimwerkergeräten. Eine Schublade unter der Werkbank war herausgezogen. Sie war gefüllt mit Damenunterwäsche, Strapsen und Vibratoren.
Nichts vom Fetisch des Ehemanns gewusst.
Wieder angekommen im unteren Bereich der Wohnung suchte ich das Gespräch mit Margit. Sie hatte nicht nur der Tod ihres Ehemanns völlig unvorbereitet getroffen. Auch hatte sie offenbar nichts von dessen Fetisch gewusst. Sie zeigte kein Verständnis für derartige Neigungen.
Margit war unruhig. Immer wieder unterbrach sie das Gespräch um in das Nebenzimmer zu gehen. Sie blieb jeweils nur wenige Augenblicke dort und setzte sich dann wieder zu mir. Zunächst erschien dies nicht weiter auffällig. Womöglich wollte Margit ihre Emotionen von Trauer nicht offen zeigen. Oder sie wollte einfach kurz allein sein.
Fast eine ganze Flasche Ouzo.
Doch mit jedem Mal, das Margit verschwand und zurückkam, wurde sie fahriger. Schließlich hatte sie Probleme damit, sicher zu gehen und zu stehen. Ihre Sprache wurde zusehends undeutlich. Lallte Margit etwa?
Als Margit wieder nebenan war, folgte ich ihr leise. Sofort war klar: sie war wirklich betrunken. Denn ich traf sie mit einer nahezu leeren Flasche Ouzo an, der griechische Anisspirituose.
Margit räumte ein, dass sie seit Auffinden ihres verstorbenen Ehemanns fast die ganze Flasche Ouzo getrunken habe. Jedes mal, als sie ins Nebenzimmer entschwunden war, hatte sie sich einen kräftigen Schluck der Spirituose genehmigt.
„Habe ich ihn überhaupt gekannt?“
Dann sagte Margit: „Ich war mit Norbert so lange verheiratet. Haben Sie gesehen, was er an hat?“ – Ich nickte. „Ich habe von diesen Vorlieben nichts gewusst. Habe ich ihn überhaupt gekannt?“
(*) Namen geändert.